Nach Protestaktion bei Brennelementproduzent ANF:
Prozess gegen Lingener Atomkraftgegnerin endet mit Freispruch
Gericht sieht keine Nötigung, keine Blockade, keine Gewalt
Erneute scharfe Einlasskontrollen führten zu 100-minütiger Verzögerung des Prozessbeginns
In der Prozess-Serie gegen Atomkritiker*innen, die nach dem Brand beim Lingener Brennelementproduzenten ANF im Januar 2019 vor dem Werkstor der Anlage gegen die Wiederaufnahme des Produktionsbetriebs protestiert hatten, ist die erste von insgesamt 16 Angeklagten heute vom Lingener Amtsgericht freigesprochen worden.
Gemeinschaftlich mit den anderen Aktivist*innen solle die Angeklagte das Firmengelände blockiert und einen Zulieferer mit Gewalt an der Weiterfahrt gehindert haben, so lautete der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Osnabrück.
Während der heutigen Anhörung des Polizei-Einsatzleiters und des mutmaßlich genötigten Lieferanten wurde jedoch schnell klar: niemand wurde durch die Protestaktion daran gehindert, das Firmengelände zu betreten oder zu verlassen, auch von Gewalt war nicht mehr die Rede: „Es war ein friedliches Kuddelmuddel vor dem Werkstor“, so der Einsatzleiter der Polizei.
Aller Friedfertigkeit der Angeklagten und der zahlreich erschienenen Öffentlichkeit zum Trotz wurden auch heute wieder scharfe Einlasskontrollen am Amtsgericht durchgeführt. Durch ausführlichste Taschenkontrollen, Leibesvisitationen und den Einsatz von Detektoren durch Justizhelfer*innen, die eigens für diese Veranstaltung aus Osnabrück anreisen mussten, konnte der Prozess erst mit 100-minütiger Verspätung beginnen.
Mit der heutigen Watsche gegen die Anklage ist die unrühmliche Justizposse aber keinesfalls vorbei: Die Staatsanwaltschaft Osnabrück besteht darauf, nahezu allen an der Protestaktion beteiligten Aktivist*Innen einen eigenen Prozess zu machen. Weitere 13 Prozesse sollen demnach noch folgen!
„Durch derlei Repressionen wird ganz klar deutlich, dass Kritik an der Atomindustrie in der Atomstadt Lingen nicht erwünscht ist. In einer Stadt, in der auch nach dem sogenannten Atomausstieg zeitlich unbefristet Brennelemente für Atomkraftwerke in aller Welt hergestellt werden sollen, wird das Grundrecht des friedlichen Protestes mit Füßen getreten, wo immer sich Widerstand gegen die Atomlobby regt.
Das heutige Urteil bestätigt aber, dass unser Protest legal ist. Und er ist notwendig. Wir werden ihn mit weiteren Aktionen fortführen, bis der sogenannte Atomausstieg auch in Lingen vollzogen ist und alle Atomanlagen stillgelegt sind.“, so die Angeklagte nach dem Prozess.