Mit großem Unverständnis und dem Aufruf zu neuen Protesten reagieren mehrere Anti-Atomkraft-Initiativen und Umweltverbände aus Niedersachsen und NRW auf die Eil-Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom Dienstag (Aktenzeichen 6B-2637/20). Das Gericht hat dem französischen Atomkonzern EDF-Framatome/ANF den Export von Brennelementen aus der Brennelementefabrik Lingen an die altersschwachen und störfanfälligen belgischen AKW Doel 1 und 2 erlaubt, obwohl in der Hauptsache noch die Klage einer Aachener Privatperson vor dem Verwaltungsgericht in Frankfurt anhängig ist. Den eigentlichen Fragen der AKW-Sicherheit und des Schutzes der Bürger*innen gegen die atomaren Gefahren wich das Kasseler Gericht aus.
Sehr unverständlich war auch das Verhalten des beklagten Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), das sich vor Gericht mit einer sehr mageren Stellungnahme im Prinzip nur weggeduckt hat. Das BAFA untersteht in Atomfragen dem Bundesumweltministerium.
„Der jetzige Beschluss aus Kassel spiegelt die Rechtsauffassung von 1958 und spricht damit im Jahre 2020 den Bürger*innen eine wirksame Klagemöglichkeit auf Grundlage des Atomgesetzes ab. Der Export der Brennelemente zum jetzigen Zeitpunkt schafft unwiderrufliche Fakten und erhöht massiv die Gefahr eines schweren Atomunfalls in Belgien. Knapp zehn Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima entrechtet das OVG die Bürger*innen in Deutschland in diesem wichtigen atompolitischen Punkt. Der französische Brennelemente-Produzent EDF-Framatome/ANF darf in Lingen hingegen weiter den deutschen Atomausstieg unterlaufen und Hochrisiko-Atomkraftwerke in den Nachbarländern beliefern. Das ist unverantwortlich,“ so Gerd Otten vom Elternverein Restrisiko Emsland.
Die Anti-Atomkraft-Initiativen riefen aus diesem Grund für Samstag, 12. Dezember, zu einer Mahnwache vor der Brennelementefabrik in Lingen auf. Zudem rufen sie dazu auf, gegen die nun in fünf bis sechs LKW-Transporten bevorstehende Abfahrt der Brennelemente zu protestieren.
„Nun ist aus unserer Sicht die Bundesregierung dringend am Zug. Schon 2018 wollten CDU/SPD laut Koalitionsvereinbarung einen Exportstopp für Kernbrennstoffe herbeiführen. Anfang 2019 forderte der Bundesrat die Bundesregierung zu Taten auf und Ende 2019 legte das Bundesumweltministerium einen entsprechenden Gesetzesentwurf vor. Real geschehen ist bislang aber nichts. Die Bundesregierung muss das Atomgesetz dem Jahre 2020 anpassen, Bürger*innenrechte garantieren und die gefährlichen Brennelementexporte sofort politisch unterbinden,“ erklärte Dr. Angelika Claussen von der Ärzteorganisation IPPNW.