RSK-Stellungnahme für Entwarnung ungeeignet

Aus Sicht zahlreicher Initiativen und Verbände gibt es bezüglich der belgischen Rissereaktoren Tihange 2 und Doel 3 keinerlei Grund zur Entwarnung. In einem Offenen Brief an Bundesumweltministerin Svenja Schulze und die MinisterpräsidentInnen von Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz stellen sie fest, dass es sich bei der zuletzt von der Reaktor-Sicher­heits­kommission (RSK) vorgelegten Stellungnahme um keinen Sicherheitsnachweis handelt.

Die aktuelle Stellungnahme der RSK, so heben die UnterzeichnerInnen hervor, trifft keine Aussage über die Unbedenklichkeit der Risse in den Druckbehältern der Reaktoren. Weiterhin bleiben diesbezüglich zahlreiche Fragen offen.

In einer Pressekonferenz am 9. Juli erklärte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums (BMU), dass „die Risse die Sicherheit der Meiler [Tihange 2 und Doel 3] nicht beeinträchtigen“1. Ein weiterer hochrangiger Vertreter des BMU wird in den Medien zitiert, die Bundesregierung sehe nun „keine Handhabe mehr“2, gegen den Betrieb der umstrittenen Meiler vorzugehen. In einem Hintergrundgespräch mit Angehörigen von Initiativen und Verbänden am 2. August vertraten Vertreter des BMU jedoch die Auffassung, dass die RSK-Stellungnahme kein allumfassender Sicherheitsnachweis sei, sondern eine Plausibilitätsprüfung, bei der mindestens eine Frage offen bleibe. Dass sie trotzdem auf dieser Grundlage die Risse für unbedenklich erklären, ist nicht nachvollziehbar. Das Motto des BMU scheint hier zu sein: Offene Punkte verharmlosen und Reaktoren gesundbeten.

In ihrem Offenen Brief weisen die UnterzeichnerInnen im Weiteren darauf hin, dass sich mehrere Mitglieder der RSK und ihrer Ausschüsse aufgrund ihrer Tätigkeit in Unternehmen der Atomindustrie in einem Interessenskonflikt befinden. Diese Befangenheitsprobleme – so kritisieren sie – wurden bislang jedoch von Seiten des Bundesumweltministeriums nicht angegangen. Offensichtlich besteht hier ein Aufsichtsproblem, was von Seiten des BMU bewusst ignoriert wird – dies zeigte sich auch im Gespräch.

Die Initiativen und Verbände fordern die Regierungen von Bund und Ländern zu einem Neuanfang bei der Begutachtung der Sicherheitsprobleme von Tihange 2 und Doel 3 auf. Dabei müssen sie die Analyseergebnisse der internationalen ExpertInnengruppe (INRAG) in die Bewertung der Situation einbeziehen und tatsächlich unabhängige WissenschaftlerInnen mit der Begutachtung beauftragen. Unabhängig davon müsse auch die Reaktor-Sicherheitskommission personell neu ausgerichtet werden und so den Befangenheitsproblemen begegnen. Die Bundesregierung muss sich für die Stilllegung der Atomfabriken in Gronau (Westfalen) und Lingen (Niedersachsen) und damit für den Stopp der Lieferungen von Brennelementen aus Deutschland an die Reaktoren in Belgien einsetzen.

UnterzeichnerInnen des Briefs sind die Antiatom-Organisation ausgestrahlt, das Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen, AntiAtom Bonn, der Arbeitskreis Umwelt Schüttdorf, die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow- Dannenberg e.V., der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) e.V., IPPNW Deutschland Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in Sozialer Verantwortung, der Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU), Landesverband Nordrhein-Westfalen, Robin Wood e.V., SOFA (Sofortiger Atomausstieg) Münster, Stop Tihange Deutschland e.V. und das Umweltinstitut München e.V.

Hintergrund:

Anfang Juli veröffentlichte die Reaktor-Sicherheitskommission eine Stellungnahme vom 23.5.2018 zu den belgischen Atomkraftwerke Doel 3 und Tihange 2.

1Vgl. Mitschrift der Pressekonferenz der Bundesregierung vom 9.7.2018 unter https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2018/07/2018-07-09-regpk.html.