Bündnis AgiEL und BUND Niedersachsen fordern sofortige Abschaltung und Sicherheitsprüfung
Das Atomkraftwerk Emsland in Lingen weist gefährliche Risse an den Dampferzeugerheizrohren auf, die auf Korrosionsprozesse zurückzuführen sind. Dies hat die Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hin eingeräumt (Drucksache 19/31989). Sie seien den Schäden am AKW Neckarwestheim 2 gleichzusetzen. Trotz dieser Schäden hat der Betreiber, die RWE Power AG, in der Revision 2021 auf eine entsprechende Prüfung der Heizrohre im AKW verzichtet. Damit setzt er Mensch und Umwelt einem beachtlichen Risiko aus. Zudem missachtet die Atomaufsicht ihre eigenen Sicherheitsvorgaben.
Der BUND fordert das Land Niedersachsen als zuständige Aufsichtsbehörde auf, das Atomkraftwerk Emsland sofort vom Netz zu nehmen und alle Dampferzeugerheizrohre umgehend auf Schäden zu überprüfen“, BUND-Landesvorsitzende Heiner Baumgarten. „Die Korrosionsprozesse im AKW Emsland sind die gleichen wie in Neckarwestheim. Hier haben die Behörden nach dem Auftreten von Rissen eine jährliche Überprüfung aller Rohre angewiesen. Diese Sicherheitsvorgaben müssen auch für Lingen gelten!“
Bereits in 2019 wurden bei der Revision im Atomkraftwerk Emsland zwei Wanddickenschwächungen an den Dampferzeugerheizrohren eines Dampferzeugers festgestellt. In 2020 wurden erneut Schädigungen an den Rohren gefunden.
In 2021 wurde – trotz der bekannten Schäden – keine entsprechende Prüfung der Heizrohre mehr durchgeführt.
Die Begründung lautet: Man habe die Ursache erkannt und durch eine Verbesserung der Wasserchemie beseitigt. Im nahezu baugleichen AKW Neckarwestheim 2 konnte das Fortschreiten der Rohrschädigungen trotz umfangreicher Maßnahmen auch der Wasserchemie bis jetzt nicht gestoppt werden: Die Zahl der Rissfunde war dort in 2021 mehr als zweieinhalb Mal so hoch wie im Jahr zuvor.
„Die Vorgehensweise von Betreiber und Aufsichtsbehörde ist unverantwortlich, denn es wird die Gefahr von Störfällen im AKW Emsland in Kauf genommen“,
kritisiert BUND-Atomexperte Bernd Redecker.
„Wenn sich im laufenden Betrieb ein Riss ausweitet und ein Rohr platzt und abreißt, kann dies gravierende Folgen haben. Im schlimmsten Fall können große Mengen an Radioaktivität freigesetzt werden. Sogar eine Kernschmelze wäre dann möglich. Dieses Risiko einzugehen, um Kosten für Wartungen einzusparen oder einen Betriebsausfall zu verhindern, ist völlig inakzeptabel.“
Die Dampferzeugerheizrohre bilden die Schnittstelle zwischen dem radioaktiven Primär- und dem Sekundärkreislauf eines Atomkraftwerkes. In ihnen herrschen sehr hohe Temperaturen und Druckunterschiede. Sie bestehen aus einer Metall-Legierung, die besonders beständig gegen Korrosion ist. Alterungs- und chemische Prozesse haben jedoch in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass die Rohre dennoch rosten. Bei Überprüfungen der Rohre während den Revisionen in 2019 und 2020 wurden mehrere Rohre entdeckt, an denen Lochfraß und Spannungsrisskorrosion die Rohrwände erheblich geschwächt haben. Das AKW hat über 16.000 Dampferzeugerheizrohre.
Im AKW Neckarwestheim 2 wurden bei Überprüfungen in den Jahren 2017, 2018, 2019, 2020 und 2021 ebenfalls Wanddickenschwächungen an den Heizrohren festgestellt. Die Schäden haben sich trotz Verbesserung der Wasserchemie von Jahr zu Jahr ausgeweitet. In Neckarwestheim werden die Dampferzeugerheizrohre jährlich auf neue Schäden überprüft.